Sind Sie machtlos? Und reif für den Kreis? 

  • Unternehmen ohne Hierarchien scheitern am Macht-Faktor Mensch.
  • Wer glaubt, Macht abzubauen, indem er Hierarchien abschafft, wird sein blaues Wunder erleben.  
  • Eine durch Selbstorganisation und flache Hierarchien geprägte Arbeitswelt 4.0 fordert selbstkompetente Arbeitnehmer, die sozialkompetent (reif) handeln

Klaus Neumann war vor zwei Monaten noch Viktors Vorgesetzter. In der neuen Organisationsstruktur arbeitet er heute in einigen Kreisen mit ihm zusammen – auf Augenhöhe? Neumann verhielt sich auch vor der Reorganisation kollegial, wenngleich seine damalige hiearchische Höherstellung spürbar war: er traf Entscheidungen auch im Alleingang, er gab Ziele vor oder forderte Statusberichte ein. Dass Neumann gehört wird, zeigt sich auch in der neuen Organisationsstruktur: seine Einschätzungen dominieren den Diskurs in vielen Kreisen, er ist kommunikativ, um Kontakt bemüht, auch mal lauter als andere und vor allem beliebt. Entscheidungen basieren häufig auf seinen Vorschlägen. Vor zwei Tagen legte Viktor ein Veto gegen einen von Neumanns Vorschlägen ein. Heute weiß Viktor, dass er das in Zukunft unterlassen wird. 

Hierarchien sind nur die Spitze des Eisbergs

Hierarchien verflachen oder gänzlich abschaffen! Dieses Ziel verfolgen viele Unternehmen. Sie erwarten mehr Agilität, mehr Effizienz, geringere Kosten, glücklichere, weil selbstbestimmtere Arbeitnehmer und natürlich höhere Produktivität. Eine Arbeitswelt 4.0 auf Knopfdruck. Wie so oft im sozialen Leben funktioniert der Knopfdruck auch hier nicht. Wer Hierarchien abschafft, wird dadurch keine etablierten Machtgefüge ändern. Sie werden lediglich unter die Oberfläche gedrückt. Dort funktionieren sie weiter – unkontrolliert und unterschwellig. Durch Beziehungen, persönliche Netzwerke, Eloquenz und Anpassungsfähigkeit. Ein wahrlich guter Nährboden für (kalte) Konflikte.

Hierarchielose Organisationen scheitern am Menschen

Warum hat Hierarchielosigkeit und Machtfreiheit in der Geschichte der Menschheit noch nie funktioniert? Beides setzt ausschließlich verantwortungsbewusste und mündig handelnde Menschen voraus, die einer gemeinsamen Zielsetzung dienen wollen. Wie verantwortungsbewusst der Mensch auch im frühen 20. Jahrhundert ist, zeigen die Klimadebatte, die Schuldenberge, die Umweltkatastrophen, die vor allem menschlichem Gier und Machtstreben zu verdanken sind. Nach mehreren tausend Jahren Menschheitsgeschichte lenken uns nach wie vor weitgehend tief sitzende Muster, Bedürfnisse und oftmals unbewusste Treiber. Neid, Gier, Rivalität, Geltungsbedürfnis, Angst, Sehnsucht und eben Macht – erwarten Sie wirklich, dass das alles verschwindet, wenn wir in hierarchielosen Organisationen oder agilen Teams arbeiten? 

„Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis! Dabei denke hier nicht an ideelle Organisationen und Vereinssitzungen mit Kaffeekränzchencharakter, sondern an marktwirtschaftlich orientierte und unter Wettbewerbsdruck stehende Firmen.“

Die Arbeitswelt 4.0 fordert reife Menschen

Augenhöhe, Selbstorganisation, Entscheidungsbefugnis, Verantwortungsübernahme – und doch nicht glücklich? 50 % der Beschäftigten seien zufrieden, Anweisungen auszuführen, sagt der Neurobiologe Gerhard Roth. Zum einen liege das am Persönlichkeitstyp, der auf Sicherheit, Orientierung und Risikovermeidung ausgerichtet sei. Flache Hierarchien scheitern aber nicht nur an ungeeigneten Persönlichkeiten, sondern auch an mangelnder Reife. 

„Ich glaube an den Zusammenhang zwischen der stabilisierenden Kraft eines selbstkompetenten Menschen und der sozialkompetenten Reife seines Handelns.“

Selbstorganisiert Arbeiten, Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen – das sind reife Handlungen. Nur stabile, selbstkompetente Persönlichkeiten bringen die Kompetenzen mit, so zu handeln. Wollen wir uns in eine Arbeitswelt 4.0, die diese Skills fordert, erfolgreich miteinbringen und partizipieren, sind wir gut damit beraten, an dieser Reife zu arbeiten. Dort hinzusehen, wo wir problematische Wesenszüge und Verhaltensweisen erkennen. Dort hellhörig werden, wo unbewusste Muster unserer Weiterentwicklung immer wieder im Weg stehen. Oder bei jenen Ängsten anzupacken, die uns immer wieder heimsuchen. Reorganisationen? Wohl gut gemeint, aber sie bringen uns in Punkto persönlicher Reife und sozialer Kompetenz nicht weiter. 

Nur eine stabile, selbstkompetente Persönlichkeit kann reif im Sinne der (empathischen) Sozialkompetenz handeln. Etwas, das die Arbeitswelt 4.0 von uns verlangen wird. Wie Sie an diesen Fähigkeiten arbeiten können, das lesen Sie auch in meinem Buch, „Die Agilitätsfalle“

Bildungstipp:
Machen Sie sich fit für die Arbeitswelt 4.0!

  • Kompetenzwerkstatt für die Arbeitswelt 4.0: Key Skills für Entscheider und Führungskräfte
  • Erfolgreiches Konfliktmanagement: DIE Schlüsselkompetenz für Führungskräfte und HR-Manager
  • Generationsmanagement in der Arbeitswelt 4.0: Für HR-Manager und Führungskräfte.
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Eine Meinung zu “Fallstricke der Arbeitswelt 4.0: Die Illusion hierarchieloser Organisationen

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